Rüdiger Articus: Eine grundlegende Betrachtung zur älteren Geschichte
des Tabakkonsums durch Frauen steht noch aus. Oberflächlich betrachtet
scheint das Rauchen, insbesondere das Pfeiferauchen, eine männliche
Domäne gewesen zu sein, doch schon für die Zeit um 1600 sind
in England und Dänemark Frauen im Zusammenhang mit dem Rauchen und
Tonpfeifen erwähnt. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts zeigen archivalische,
literarische und auch bildliche Belege, dass besonders Frauen aus unteren
Schichten und aus dem bäuerlichen Bereich geraucht haben. Auch bei
den hausindustriellen Produzentinnen des 18. Jahrhunderts scheint das
Rauchen wie das Wein- und Kaffeetrinken, der Wirtshausbesuch und das Kartenspiel
üblich gewesen zu sein. |
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Was in diesem Bereich vorher toleriert oder gar üblich
war, wurde im späten 19. Jahrhundert zum Attribut der Alten und Außenseiter.
Im 20. Jahrhundert war es gerade der ländliche Raum, wo rauchende
Frauen am stärksten verpönt waren. |
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Karl Baeumerth/Martin Kügler: |
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Vorgelegt werden die bisher nicht publizierten biografischen Daten von 26 Pfeifenbäckern in Marburg. Die ältesten Belege nennen 1679 NN Strack, einen ehemaligen Soldaten, der Tabakspfeifen mache, und 1690 Daniel Petit. Ist über diese beiden sonst nichts bekannt, können über die Pfeifenbäcker des 18. Jahrhunderts detaillierte Angaben gemacht werden. Das Material zeigt in einer ersten Analyse, dass zahlreiche Pfeifenbäcker aus dem Ort Grenzhausen im Westerwald nach Marburg einwanderten. Zu nennen sind die Familien Hunnius/Honnius, Caesar, Oster, Klauer und Merkelbach, die z.T. untereinander in enger Beziehung standen. Zuwanderungen aus anderen Pfeifenbäckerorten wie Herborn und Allendorf bleiben singulär. Die beste Zeit scheint das Handwerk zwischen 1750 und 1800 erlebt zu haben, doch gelangte es nie über eine regionale Bedeutung hinaus. Der letzte Marburger Pfeifenbäcker Konrad Oster starb 1864.
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Michaela Hermann: |
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Bei den von 1998 bis 2001 dauernden Ausgrabungen in Augsburg, Kitzenmarkt, wurde im ehemaligen Garten des 1803 aufgehobenen Benediktinerklosters St. Ulrich und Afra eine riesige Grube aufgedeckt. Die Massen an frühneuzeitlichem Fundmaterial enthielten u.a. Geschirr- und Baukeramik, Glas, Architekturreste sowie Handwerkerabfälle verschiedener Sparten. Zum Fund gehörten auch ca. 1500 sog. "Pfeifentonfigürchen" und etwa zwei Dutzend Model in unterschiedlichen Erhaltungsgraden, die ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts datieren. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Handwerkerabfall oder einen Händlervorrat.
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Rainer Immensack: |
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Unter dem Begriff der Ulmer Maserholzpfeifen wird die
Produktion von Pfeifen aus dem Wurzelholz verschiedener Baumarten (Ulme,
Esche, Erle, Birke, Ahorn usw.) in Ulm wie auch im weitläufigen Umland
der Stadt zusammengefasst. So stammt der älteste archivalische Beleg
von 1695 nicht aus Ulm selbst, sondern aus Geislingen. Unterschieden werden
zwei Grundformen, der sog. Ulmer Kloben mit einem sich an der Unterseite
des Pfeifenkopfes verbreiterten Grad, und die Ungarnform mit schmalem
hohen Pfeifenkopf, der stets höher als der Pfeifenhals ist. Besondere
Aufwertung erfuhren die Pfeifenköpfe durch aufwändige Beschläge,
Deckel und Ketten aus Silber. Der Umfang der Produktion ist kaum fassbar,
da das Gewerbe nicht in einer Zunft organisiert war und häufig nur
im Nebenerwerb ausgeübt wurde. Abb. 2: Blick in eine Pfeifenmacherwerkstatt um 1835 mit den einzelnen Arbeitsschritten: Feilen, Bohren, Zuscheiden und Polieren. |
Abb. 1: Ulmer Riesenpfeifenkopf aus der Zeit um 1800 mit einer Höhe von 22,5 cm, auf der Kopfwand das bayerische Kurfürstenwappen.
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André Leclaire:
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Abb. 1: Die Tonstempel.
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Abb. 2: Werkzeuge zur manuellen Stielverzierung aus der
Werkstatt von Auguste Benoit (oben) und von Louis Bruies (unten).
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Katarzyna Meyza: |
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Abb. 2: Die tönerne Brennhilfe für Manschettpfeifen. |
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Barnabas T. Suzuki: Schon 1585 und 1600 erreichten europäische Pfeifenraucher-Nationen
Japan, doch verschloss sich das Kaiserreich weitgehend dem Kontakt. Eine
Niederlassung holländischer Kaufleute wurde von 1613 bis 1641 nur
in Hirado, ca. 80 km nördlich von Nagasaki, zugelassen und dann nach
Dejima verlegt. Ausgrabungen auf dem Gelände der beiden Handelsniederlassungen
zeigen deutlich, dass die Niederländer aus Mangel an importierten
Tonpfeifen aus der Heimat die in Japan entwickelten Pfeifen aus Metall
(Kiseru) oder seltener aus Keramik (Oribe kiseru) benutzten. Abb. 1: Kiseru aus den Ausgrabungen des holländischen Handelshauses in Hirado.
Abb. 2: Glasierte Porzellanpfeife "Oribe kiseru" von ca. 1620. |
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Ralf Kluttig-Altmann/Martin Kügler: Die im KnasterKOPF Band 16/2003 begonnene Reihe wird hier mit der - neben englisch - wichtigsten Sprache in der internationalen Tonpfeifenforschung fortgesetzt. Über 200 Fachbegriffe werden übersetzt und erläutert und vereinfachen so die Benutzung der grundlegenden niederländischen Literatur.
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Ralf Kluttig-Altmann/Martin Kügler: Von der deutschen Tonpfeifenforschung eher unbemerkt, erscheinen auch in Frankreich und Belgien zahlreiche Beiträge zur Archäologie und Geschichte der Tonpfeife. Um ihre Rezeption in Deutschland zu fördern, folgt nach entsprechenden Listen englischer und niederländischer Fachbegriffe jetzt die französische Version.
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Neue Funde
Seit den 1970er Jahren wurden 547 Pfeifenköpfe und 3636 Stielfragmente bei baubegleitenden Untersuchungen im Erfurter Stadtgebiet geborgen und die Fundumstände dokumentiert. Das Material zeigt ein breites Spektrum, enthält aber keine Hinweise auf die Produktion von Tonpfeifen in Erfurt selbst. Unter den Importen sind eine Pfeife von Reichard West in Mannheim aus dem dritten Viertel des 17. Jahrhunderts sowie wohl meist niederländische Importe. Auch im 18. Jahrhundert wurden Tonpfeifen vielfach aus Gouda bezogen, während offenbar nur wenige Lieferungen aus Nordhessen und Südniedersachsen erfolgten. Der Typ der Manschettpfeifen oder Gesteckpfeifen ist im Fundmaterial nur einmal belegt und gibt ein besonderes Rätsel auf, da sich zu dem neunkantig abgeplatteten Pfeifenkopf die passende Pfeifenform in Schweden gefunden hat.
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Abb. 3: Marken auf Erfurter Tonpfeifenfunden. |
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Bernd Standke: Durch die verheerende Flut, die Grimma im August 2002
heimsuchte, musste das Wohnhaus Töpferstraße 8 abgerissen werden.
Dabei konnten Tonpfeifenfragmente geborgen werden, die in die Zeit 1740
bis ca. 1748 datieren und von dem damaligen Hausbesitzer Johann Georg
Gräfe stammen. Gräfe war 1740 Bürger der Stadt geworden
und arbeitete hier bis zu seinem Tode 1783. Auf den 24 Fersen- und drei
Rundbodenpfeifen finden sich unter den verwendeten Marken das "gekrönte
H" in zwei Varianten, die "Windmühle" und der "springende
Hirsch". Ein kleines Areal des Hofes war sekundär mit plattigen
Tonscherben belegt, die ursprünglich wahrscheinlich Bestandteile
von Pfeifenkästen (Brennbehältern) waren (Abb. 4). Hinweise
auf einen Ofen fanden sich nicht. Abb. 1: Tonpfeifen von Johann Gräfe in Grimma,
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Thomas Weitzel / Martin Kügler: Die Tonpfeifenfragmente wurden in dem Emder Ortsteil Barenburg über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren als Lesefunde zusammengetragen. Alle Stücke befanden sich in der oberen Bodenschicht in ca. 10 cm Tiefe und sind wohl mit dem Hausmüll aus der nahegelegenen Stadt auf die Äcker gelangt. Eine Produktion von Tonpfeifen lässt sich in Emden nicht nachweisen; offenbar war es einfacher, die Pfeifen aus den nahegelegenen niederländischen Produktionsorten zu importieren. Die im Katalog erfassten 43 Fundstücke spiegeln diese Annahme deutlich wieder. Der überwiegende Teil ist aufgrund der Marken und Kopfformen eindeutig als Produkte aus Gouda zu identifizieren, wobei der Anteil von Pfeifen aus dem 17. Jahrhundert sehr gering ist. Abb. 1: Tonpfeifenfunde aus Emden. |
Natascha Mehler: |
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Die hier exemplarisch vorgestellten Funde aus Amberg,
Kempten, Salzburg, Passau und Nürnberg sind bislang einzigartige
Vertreter ihres Typs in Bayern und Österreich. Sie heben sich deutlich
von den zahlreichen, in Süddeutschland gefundenen Tonpfeifen ab,
welche sich nur selten bekannten Tonpfeifen aus anderen Teilen Deutschlands
zur Seite stellen lassen und für die sich allmählich eine eigenständige
"Pfeifentradition" herauskristallisiert.
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Wo die Exemplare aus Salzburg, Kempten, Passau und Nürnberg hergestellt wurden, kann nach derzeitigem Forschungsstand noch nicht beantwortet werden. Es handelt sich um einen Pfeifenkopf, der Neufunden aus Schlesien/Ostsachsen entspricht, einen grün glasierten Pfeifenkopf mit den Initialen "PSML" auf beiden Seiten, ein Fragment mit einer Kopfform, die von osmanischen Gesteckpfeifen inspiriert wurde, sowie zwei "Schuh-Pfeifen": Bei dem Stück aus Passau ist der Kopf als Schuh ausgebildet, dessen Spitze (der Pfeifenstiel) von einem Fisch verschluckt wird; der Neufund aus Nürnberg ist vollständig als Schuh (Stiefel) gestaltet, wobei die Spitze sehr lang ausläuft.
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Ralf Kluttig-Altmann: Von der Burgruine Scharzfels bei Scharzfeld/Südharz
stammt ein besonderes Fundstück, das zunächst keinerlei Ähnlichkeit
mit einer Tonpfeife zeigt. Es ist ein 3 cm hohes Wandungsteil eines dickwandigen,
hohlen Objektes aus Pfeifenton mit vermutlich spitzovalem Querschnitt,
wobei das Fragment weniger als 1/4 des Gesamtdurchmesser von max. ca.
3,5 cm repräsentieren dürfte. Auf der facettierten Außenfläche
und der Oberseite des Fragmentes sind drei Marken ("springendes Pferd",
"Lilie", "Trompeter"?) z.T. mehrfach abgedrückt.
Senkrechte, schräge und waagerechte "Ränderungslinien"
gliedern die Oberflächen in Bildzonen, die die verschiedenen Marken
enthalten. |
Abb. 1: Das rätselhafte Objekt von Burg Scharzfels
im Harz.
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Rory Dunlop / Natascha Mehler:
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Vorgestellt werden Funde von drei Ausgrabungen in Bergen. Da die Herstellung von Tonpfeifen in Norwegen erst spät beginnt, wurden Tonpfeifen bis 1752 überwiegend aus den Niederlanden importiert, was sich auch im Fundspektrum widerspiegelt. Hervorzuheben ist eine Scherbe aus Fayence mit der Darstellung eine Pfeiferauchers, die vor 1700 hergestellt worden sein muss, deren Ursprung aber noch unbekannt ist.
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Martin Kügler: In Ransbach-Baumbach, dem letzten bedeutenden Produktionsort Deutschlands für Tonpfeifen, hat eine Firma ein neues Verfahren entwickelt, um die traditionellen Tonpfeifen für Weckmänner und Stutenkerle durch Pfeifen aus Zellulose zu ersetzen. Die Vorteile der neuen Pfeifen liegen auf der Hand: Sie sind aus einem billigen Rohstoff, vollautomatisch produzierbar, unzerbrechlich, sehr leicht, bis 300 Grad Celsius hitzebeständig und nach Gebrauch biologisch abbaubar. Nur rauchen kann man mit den Pfeifen nicht, denn die Hitze des brennenden Tabaks würde den Kopf zum Verkoken bringen. Doch rauchen sollen die mit Weckmännern und Stutenkerlen beschenkten Kinder ohnehin nicht, und zum Seifenblasenmachen eignen sich die kleinen Pfeifen auch weiterhin. Und auch für die Archäologen ist dies ein glücklicher Umstand, bleiben doch die Tonpfeifenraucher ihren Rauchgeräten treu. Abb. 1 + 2: Plastikpfeifen - täuschend echt: |
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Martin Kügler: Ein in den USA als "Pfeifenform mit Scharnier" angebotenes Objekt stellte sich nach dem Erwerb zwar als Pfeifenform heraus, doch diente es offenbar nicht zur Produktion von Tonpfeifen. |
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Pfeifenform für Schokoladenpfeifen von Anton Reiche. |
Pfeifenform für Schokoladenpfeifen von Anton Reiche. |
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Wolfgang Cremer: Zu den markantesten Produkten der Gelb- oder Messinggießer aus dem Volk der Batak gehören zweifellos die Prestige-Tabakspfeifen, die die Batak "tulpang" nennen. Diese Prestigepfeifen zeichnen sich durch eine reiche Reliefverzierung wie noppenartige Ringmuster, Rosetten, rocaillen- und volutenartige Formen, Fischgrätenmuster aus. Das oft über 50 cm lange Rohr dieser Pfeifen besteht meistens aus mehreren Stücken, die auseinander genommen werden können. Als Ergebnis aufwändiger Handarbeit waren sie stets ein Statussymbol hochstehender Personen. |
Abb. 1: Prestige-Pfeife der Batak, um 1900. |
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André Dehaybe / Martin Kügler: Maurice de Bois (1907-1980) in Andenne hat bis zum Jahre 1960 eines der letzten Tonbergbauunternehmen geleitet, das auch den für die Tonpfeifenherstellung verwendeten weiß brennenden Ton (frz. "derle") förderte. Über seine Arbeit verfasste er während seiner Kriegsgefangenschaft in Hamburg-Fischbeck 1944 einen Bericht, den er in ein kleines Heftchen schrieb, und der einen bemerkenswertes Dokument ist. Der Bericht "L'industrie de la terre plastique à Andenne" umfasst 24 Seiten und wird hier in Auszügen publiziert. Abb.1: Titelblatt des Berichtes von Maurice de Bois. |
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Martin Kügler: |
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Bei einer Auktion gelang es dem Verf. ein kleines Ensemble zu ersteigern, das aus einem Pfeifenkopf, einem Seidenband und einem kleinen Kästchen besteht. Während das Kästchen und da Seidenband zeitgleich 1815 entstanden sind, ist der Pfeifenkopf 34 Jahre jünger. Dennoch ist die Zugehörigkeit als original anzusehen, da die drei Objekte aus Familienbesitz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gemeinsam aufbewahrt wurden. Besitzer war der Kaufmann Johann Georg Ludwig Blechschmidt (1774-1866) in Holzminden. Die mit dem Namen Blechschmidt unter einer Lyra und 46 Namen geschmückte Porzellanpfeife von 1849 weist ihn als Mitglied der Holzmindener Liedertafel, eines Männergesangvereins, aus.
Abb. 1: Das Ensemble. |
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Rüdiger Articus: |
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Letzte Aktualisierung: 28.11.2013
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