Die Mitglieder des Arbeitskreises Tonpfeifen fanden sich
vom 2. bis 4. Mai 2003 in Heidelberg zu ihrer jährlichen Tagung
zusammen. Eingeladen hatte diesmal Renate Ludwig, Abteilung Archäologie
des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg, in Kooperation
mit dem Deutschen Apothekenmuseum. Durch die Teilnahme von 45 Mitgliedern
aus sieben Ländern (Deutschland, Schweiz, Österreich,
Niederlande, Frankreich, Polen und Schweden) gestaltete sich das
Treffen zum größten und internationalsten seit Gründung
des Arbeitskreises 1989.
Der Ausbau der internationalen Kontakte zu (Ton-)Pfeifen-Forschern
aus anderen Ländern, der vor allem durch die viersprachige
Website des Arbeitskreises (www.knasterkopf.de)
ständig fortschreitet, wurde bei diesem Treffen besonders spürbar.
So nahmen erstmalig mehrere Mitglieder der Académie Internationale
de la Pipe teil. Frau Katarzyna Meyza vertrat das Historische Museum
Warschau, Arne Åkerhagen übermittelte mit dem Setzling
einer Tabakpflanze, einer Nachzucht schwedischer Tabaksamen, den
Gruß des Tabak- und Streichholzmuseums Gubbhyllan, Schweden.

Wie in den Vorjahren stellten sich die ersten angereisten Teilnehmer
am Abend des 1. Mai zu einem gemeinsamen Abendessen ein, bei dem
bereits Funde präsentiert und angeregt diskutiert wurden. Am
Freitag, 2. Mai, wurde das Treffen vom Direktor des Kurpfälzischen
Museums Frieder Hepp und Frau Ludwig eröffnet. Martin Kügler,
Görlitz, begrüßte für den Arbeitskreis und
präsentierte den 16. Band der Zeitschrift
KnasterKOPF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen
Tabakgenuss, der mit 208 Seiten die umfangreichste Ausgabe
darstellt und die hochmotivierte und fruchtbare Arbeit der Mitglieder
dokumentiert. Schwerpunktmäßig widmet sich dieser Band
der Tonpfeifenforschung in Sachsen und enthält weitgehend die
Vorträge der Vorjahrestagung in Grimma (1).
Die Vortragsreihe wurde von Marita Pesenecker, Kreismuseum Grimma,
mit zahlreichen eindrücklichen und bewegenden Bildern vom Katastrophen-Hochwasser
im August 2002 in Grimma eröffnet. Dort hatte, kurz nach dem
16. Treffen des Arbeitskreises (2), die sog.
Jahrhundert-Flut einen großen Teil des damaligen Tagungsortes
verwüstet und einen beträchtlichen Bestand der Bibliothek
für immer vernichtet. Der Arbeitskreis hatte daraufhin eine
sehr erfolgreiche Spendenaktion ins Leben gerufen, M. Pesenecker
bedankte sich herzlich für das spontane Engagement und für
die durch Finanzmittel und Arbeitskraft bei den Aufräumarbeiten
geleistete Hilfe.
Anschließend gab Manfred Benner, Kurpfälzisches Museum
Heidelberg, einen kenntnisreichen Überblick über die Geschichte
und den Forschungsstand der Stadtarchäologie in Heidelberg.
Dabei spannte er den Bogen von der Ur- und Frühgeschichte bis
zur Neuzeit und brachte somit dem Arbeitskreis die historische Vergangenheit
des Tagungsortes näher.
Den ersten Vortrag zum Thema Tonpfeifen hielt M. Kügler,
Görlitz, der den bisherigen Kenntnisstand zu Tonpfeifen
und dem Pfeifenbäckerhandwerk am Oberrhein zusammenfasste.
Dabei betonte er den für Deutschland sehr guten Publikationsstand
über Pfeifenfunde aus diesem Gebiet, in dem schon sehr früh
der Tabakkonsum mit Hilfe tönerner Tabakspfeifen belegt ist.
Durch die mit Jahreszahlen und Herstellerangaben gekennzeichneten
Funde und aufgrund von Schriftquellen zählen die Orte Frankenthal
und Mannheim zu den frühen Produktionsorten von Tonpfeifen
in Deutschland. Auch für die Stadt Heidelberg ist durch ein
Model einer Pfeifen-Applikation aus der Zeit von 1619 bis 1622 das
Rauchen in der Residenzstadt des Kurfürsten sehr früh
belegt (3).
Das Thema Tonpfeifenforschung im Oberrheingebiet intensivierte
Michael Schmaedecke, Archäologie und Kantonsmuseum Kanton
Basel-Landschaft in Liesthal/CH, mit einem Vortrag über seine
Systematisierung von floral verzierten Pfeifenfunden anhand von
Beispielen aus diesem Gebiet (4). Er betonte
die Notwendigkeit einer allgemein verbindlichen und einheitlichen
Terminologie, um eine korrekte und bearbeitungsfreundliche Ansprache
von Funden zu gewährleisten. Den Anfang machen Tonpfeifen aus
dem 17. Jahrhundert, die bestimmten Herstellern zugewiesen werden
können.
Im weiteren Tagesverlauf ging es dann vom relativ gut erforschten
Gebiet des Oberrhein nach Bayern, einem "weißen Fleck"
auf der Karte der Tonpfeifenforschung. Natascha Mehler, Römisch
Germanische Kommission der Deutschen Archäologischen Instituts,
Forschungsstelle Ingolstadt, berichtete über ihr begonnenes
Dissertationsprojekt zur Archäologie der Tonpfeifen in Bayern
im 17. Jahrhundert und nannte Forschungsziele und Methodik.
Sie stellte exemplarisch einige Funde vor, die von der weiten Verbreitung
des Rauchens und der Vielfalt der Tonpfeifen zeugen, die auch in
Bayern produziert worden sind. Dabei legte sie den Schwerpunkt auf
die bereits bearbeitete Gruppe der sog. Jonaspfeifen, von denen
bislang 468 Fragmente überwiegend aus Ober- und Niederbayern
vorliegen, und die aus mindestens 60 verschiedenen Pfeifenformen
stammen.
Michaela Hermann, Stadtarchäologie Augsburg, berührte
in ihrem Vortrag über die "Bilderbäcker"-Werkstatt
beim Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg ein der Tonpfeifen-Forschung
eng verwandtes Gebiet. Sie stellte einen neu entdeckten Fundkomplex
bestehend aus ca. 1500 modelgeformten Tonfiguren der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts vor, die alle in einer Grube gefunden worden
waren. Dabei stellte sie die technologische Ähnlichkeit des
Herstellungsprozesses dieser Figuren und von Tonpfeifen heraus und
warf erneut die Frage nach einer möglichen Beziehung zwischen
dem Handwerk der "Bilderbäcker" und der Pfeifenbäcker
auf.
Damit endete die Vortragsreihe des ersten Tages und die Teilnehmer
hatten im Anschluss daran Gelegenheit, in zwanglosem Rahmen Funde
und neue Literatur zu präsentieren. Der Abend begann mit einem
Empfang der Stadt Heidelberg durch Herrn Kulturbürgermeister
Jürgen Beß im Blauen Salon des Kurpfälzischen Museums
und klang dann fröhlich aus bei einem gemeinsamen Essen mit
mittelalterlichem Rahmenprogramm, bei dem, wie bereits am Vorabend,
bis zu vorgerückter Stunde Funde inspiziert und angeregt besprochen
wurden.
Am zweiten Tag begab sich der Arbeitskreis auf eine umfassende Exkursion,
die sich sowohl dem Tabakanbau in der Region als auch den archäologischen
Hinterlassenschaften Heidelbergs widmete. Die erste Station galt
dem Tabakmuseum in Hockenheim, durch dessen Sammlung Herr
Christ die interessierte Gruppe führte. Anschließend
besuchte der Arbeitskreis das Anwesen der Tabakbauerfamilie Wolfgang
Schaaff in Heddesheim. Der Hausherr führte durch den Betrieb
und die Scheune zum Trocknen der Tabakblätter, erklärte
die Samenzucht und zeigte in Gewächshäusern die auf verschiedene
Weise herangezogenen Tabaksetzlinge.

Tabakbauer W. Schaaf mit Tabaksetzlingen
Danach führte der Weg zurück nach Heidelberg,
wo M. Benner auf dem Heiligenberg mit viel Detailwissen die baulichen
Überreste des Michaelsklosters und des Stephansklosters sowie
das Heidenloch erklärte.
Nach einem Rundgang durch das Heidelberger Schloss war der Arbeitskreis
Tonpfeifen am Abend im Deutschen Apothekenmuseum zu einem Empfang
geladen. Museumsleiterin Elisabeth Huwer führte durch die beeindruckende
Sammlung und bot den Teilnehmern die seltene Gelegenheit, ein frühes
Kräuterbuch vom Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Abbildung
der Tabakpflanze im Original zu begutachten. Auch dieser Abend klang
wieder bei einem gemeinsamen stimmungsvollen Essen aus.

Exkursion auf den Heiligenberg bei Heidelberg
Der Morgen des letzten Sitzungstages, Sonntag der 4. Mai, begann
mit spektakulären Forschungsergebnissen. Ralf Kluttig-Altmann,
Leipzig, präsentierte Neues zur Tonpfeifenproduktion in
Ostsachsen (5). Erstmals gelang ihm der
Nachweis einer bis dato nur vage in Schriftquellen erwähnten,
aber nicht für möglich gehaltenen Produktionsweise: Originalfunde
belegen in einigen Fällen zweifelsfrei die Herstellung von
Tonpfeifenköpfen auf der Töpferscheibe. Die Stiele waren
dann separat geformt und nachträglich angesetzt worden. Offenbar
entwickelten findige Handwerker auf grund einer starken regionalen
Nachfrage eine eigene Technologie. Damit berührte auch dieser
Beitrag die mehrfach aufgeworfene Frage des Verhältnisses zwischen
den Berufsgruppen der Töpfer und der Pfeifenbäcker.
Hauke Kenzler, Landesamt für Archäologie Sachsen,
Außenstelle Heuersdorf, sprach anschließend über
seine Ausgrabungen des Friedhofs von Breunsdorf im Landkreis
Leipziger Land (6). Er konzentrierte sich dabei
auf 13 neuzeitliche Gräber des 18. und 19. Jahrhunderts, in
denen den Toten ihre gebrauchten Ton- und Porzellanpfeifen aus dem
persönlichen Besitz als Beigaben mitgegeben worden waren. In
einigen Fällen war es möglich, anhand der Datierung der
Gräber den exakten Zeitpunkt für die Niederlegung dieser
Fragmente zu ermitteln.
Katarzyna Meyza, Archaeological Dep. Warsaw und Historical
Museum of Warsaw/PL, berichtete über den spannenden Befund
von zwei Töpferöfen aus der Altstadt von Warschau,
in denen nachweislich auch Tonpfeifen hergestellt worden waren (7).
Die Produktion beschränkte sich dabei dort auf Pfeifen des
Osmanischen Typs (sog. Lüle-Pfeifen). Dies ist somit der erste
Hinweis auf eine Herstellung dieses Pfeifentyps in Zentraleuropa
und einer der wenigen Befunde, in denen der Nachweis einer Tonpfeifenproduktion
in Polen überhaupt gelang. Mit dem nun gewonnenen Wissen über
die Herstellung solcher Pfeifen im benachbarten Polen müssen
künftig ähnliche Funde in Deutschland neu hinterfragt
werden.
Von kunsthistorischer Seite widmete sich Daniel Schulz, Bamberg,
dem Thema Tonpfeifen und stellte Rötelzeichungen vor, die während
der Bauphase des Schlosses Ludwigsburg, Württemberg, zwischen
1725 und 1733 entstanden und bei Restaurierungsarbeiten wieder ans
Tageslicht gekommen waren (8). Dargestellt sind
in scherzhafter Weise Pfeife rauchende Handwerker aus Kroatien,
die am Bau der Räume beteiligt waren. Die Zeichnungen sind
somit wertvolle Originalquellen von ungewöhnlich menschlicher
Authentizität.
Heinz-Peter Mielke, Niederrheinisches Freilichtmuseum Grefrath,
berichtete kurz über Tonpfeifen aus Bossano del Grappa, Italien.
Dort waren ab 1890 Gesteckpfeifenköpfe aus rot brennendem Ton
hergestellt worden, zu einer Zeit, als die meisten Tonpfeifen-Manufakturen
in Europa schon längst aufgehört hatten zu existieren.
Der letzte Vortrag der Tagung galt Pfeifen aus Holz. Rainer Immensack,
Hofheim-Diedenbergen, zeigte einige Beispiele von Maserholzpfeifen
aus Ulm, die bereits ab dem Ende des 17. Jahrhunderts hergestellt
worden waren und sich überregional großer Beliebtheit
erfreuten, bis sie schließlich von den Meissner Porzellanpfeifen
vom Markt verdrängt wurden. Veranschaulicht wurden die Ausführungen
durch mitgebrachte Ulmer Maserholzpfeifen.
Abschließend fasste M. Kügler die Ergebnisse der Tagung
zusammen, verwies auf wichtige neu erschienene Literatur und kündigte
als Tagungsorte für das Jahr 2004 Lüneburg und für
2005 Erding an. Beide Treffen sollen von Ausstellungen zum Thema
Tabak und Tonpfeifen begleitet werden. Für die jährlich
erscheinende Zeitschrift KnasterKOPF regten die Herausgeber R. Kluttig-Altmann
und M. Kügler Themenbände an. Durch die besonders
in den letzten Jahren verstärkte Forschung haben sich zahlreiche
neue Kenntnisse zum Thema Tonpfeifen angesammelt, die es nun möglich
machen, bestimmten Fragestellungen intensiver und gezielter nachzugehen.
Geplant sind vorläufig vier Schwerpunkt-Bände, die von
interessierten Kollegen aller Fachrichtungen mitgestaltet werden
sollen. Die Themen sind: Tonpfeifenfunde aus Gräbern, Tonpfeifen
als Unterwasserfunde, Tonpfeifen auf dem Weltmarkt, und die Verbindungen
zwischen Töpferei und Tonpfeifenbäckerei. Für diese
geplanten Themenbände liegen bereits einige Beiträge aus
dem In- und Ausland vor, weitere Aufsätze bzw. Fundkomplexe
werden aber gerne entgegengenommen.
Zum Abschluss bedankte sich M. Kügler im Namen des Arbeitskreises
Tonpfeifen nachdrücklich bei allen Beteiligten, Referenten
und Helfern sowie ganz besonders herzlich bei Frau Ludwig und Museumsdirektor
Hepp, die mit der reibungslosen Organisation, der exzellenten Gastfreundschaft
und dem schönen Ambiente wesentlich zum inhaltlich ertragreichen
wie eben so stimmungsvollen Gelingen dieser Tagung, die sicherlich
jedem Teilnehmer gerne in Erinnerung bleiben wird, beigetragen haben.
Natascha Mehler M.A., Römisch Germanische Kommission der
Deutschen Archäologischen Instituts, Forschungsstelle Ingolstadt,
Jesuitenstraße 3, 85049 Ingolstadt
Dr. Martin Kügler, Arbeitskreis Tonpfeifen, Bergstraße
3, 02826 Görlitz
(1) Inhaltsverzeichnis und Summaries aller Beiträge sind im
Internet unter www.knasterkopf.de
abrufbar.
(2) Martin Kügler/Maren Weidner: 16. Treffen des Arbeitskreises
Tonpfeifen in Grimma. In: Knasterkopf,
Bd. 16/2003, S. 6 ff.
(3) Martin Kügler: Ein Tonpfeifenmodel aus Heidelberg - ein
frühes Zeugnis für die Herstellung von
Tonpfeifen in Deutschland? In: Zeitschrift
für Archäologie des Mittelalters, Bd. 29/2001, S. 207-218.
(4) Michael Schmaedecke: Floral verzierte Pfeifenstiele aus Südwestdeutschland
und angrenzenden
Regionen. Ansätze zu einer Systematisierung
von Produkten vornehmlich aus dem Raum
Mannheim/Frankenthal. In: Knasterkopf,
Bd. 15/2002, S. 19-35. Ders.: Floral verzierte Pfeifen mit
Herstellerangaben aus Fundkomplexen
des südlichen Oberrheins. In: Knasterkopf,
Bd. 16/2003,
S. 69-87.
(5) Ralf Kluttig-Altmann/Martin Kügler: Bewegung in Sachsen.
Ein Beitrag zur Emanzipation der deutschen
Tonpfeifenforschung. In: Knasterkopf,
Bd. 16/2003, S. 88-98.
(6) Hauke Kenzler: Der Friedhof von Breunsdorf - Untersuchungen
zum Totenbrauchtum in Mittelalter und
Neuzeit. In: Kirche und Friedhof von
Breunsdorf. Beiträge zu Sakralarchitektur und Totenbrauchtum
einer ländlichen Siedlung. Bd.
2, Dresden 2002, S. 147-300.
(7) Katarzyna Meyza: Clay Tobacco Pipes from the Royal Castle and
Old Town in Warsaw, Poland. In:
Centre-Region-Periphery. Medieval
Europe Basel 2002. 3rd InternationalConference of Medieval and
Later Archaeology, Basel 10.-15. September
2002. Preprinted Papers Vol. 3. Hertingen 2002, S. 340-
345
(8) Daniel Schulz: Smoking - No Smoking. Pfeifenraucher in Schloss
Ludwigsburg, Württemberg. In:
Knasterkopf,
Bd. 16/2003, S. 154-159.
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