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Tonpfeifen als Forschungsobjekt
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Vor dem Beginn der wissenschaftlichen Vortragsreihe erinnerte
M. Kügler an zwei verstorbene Mitglieder. Ernst Legahn aus
Lüneburg gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises
und hatte als engagierter Laie schon in den 1980er Jahren damit begonnen,
in Lüneburg Tonpfeifen zu sammeln und auszuwerten. Otto Pollner
aus Bünde, selbst Holzpfeifenhersteller und Autor zahlreicher Fachbücher,
hatte sich erfolgreich für die Zusammenarbeit des Arbeitskreises
mit der Académie International de la Pipe eingesetzt. Die Teilnehmer
der Tagung ehrten die beiden Verstorbenen mit einer Schweigeminute.
Blick in die AusstellungDie Reihe der Vorträge eröffnete E. Ring
mit einer Einführung in die Stadtarchäologie von Lüneburg.
An durchgeführten Projekten sind u.a. die Ausgrabung der Töpferei
"Auf der Altstadt 29" und "St. Lamberti - Ausgrabung einer
untergegangenen Kirche" zu nennen. Ferner konnte der überaus
reiche Fundbestand an Gläsern publiziert werden. Die wissenschaftliche
Aufarbeitung der Funde erfolgt in der Schriftenreihe "Archäologie
und Bauforschung in Lüneburg" und der Jahresschrift "Denkmalpflege
in Lüneburg" (www.stadtarchaeologie-lueneburg.de).
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Ein Schlüsselmoment:
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Am zweiten Tag führte eine Exkursion zur Firma DAN Tobacco und
DAN Pipe in Lauenburg. Firmeninhaber Dr. Heiko Behrens führte
die Teilnehmer durch den Tabakspeicher und erläuterte anschaulich
und äußerst fachkundig die verschiedenen Tabaksorten und ihre
Verarbeitung. Neu war sicherlich die Erkenntnis, dass Tabak bei sachgerechter
Lagerung wie Wein reifen kann und nicht etwa an Aroma verliert - was durch
die selbst für passionierte Nichtraucher angenehmen Gerüche
eindrucksvoll bestätigt wurde. Zweite Station der Exkursion war die
Hamburger Kunsthalle mit Sonder-Ausstellung "Vergnügliches
Leben - Verborgene Lust", die sowohl unter kunsthistorischen
wie auch den engeren fachlichen Aspekten eine einzigartige Ansammlung
von Gemälden mit Raucher- und Tonpfeifendarstellungen bildete,
zu der auch ein Katalog erschienen ist. (5) Nach der
Rückkehr nach Lüneburg brachte eine Kutschfahrt durch das historische
Stadtzentrum den Teilnehmern den Tagungsort näher. Zum Abschluss
führte E. Ring sachkundig und mit vielen Detail-Informationen durch
die historischen Räume des Lüneburger Rathauses. Der Abend klang
bei einem gemeinsamen Abendessen aus.
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Die DAN Tabak Fabrik in Lauenburg. |
Am Sonntag wurde das Vortragsprogramm fortgesetzt. Das von W. Siwiak festgestellte
Manko der polnischen Tonpfeifenforschung konnte Teresa Witkowska,
Muzeum Lubuskie in Gorzów Wielkopolskie/PL, in ihrem Beitrag über
die "Distribution von Rostiner Tonpfeifen aufgrund archäologischer
Funde in Polen" teilweise wett machen. Die Tonpfeifenfabrik in
Rostin/Roscin in der Neumark wurde um 1753 errichtet. Die Jahresproduktion
betrug ca. 10.000 bis 12.000 Groß Tonpfeifen, die in Preußen
verkauft und nach Polen exportiert wurden. Seit 1775 war Isaak Salingre,
ein Kaufmann aus Stettin, Besitzer der Tonpfeifenfabrik. Auf dem Seeweg
versandte er die Pfeifen in die Ostseehafenstädte. In Berlin und
in der Neumark wurden mehrere Verkaufsstellen für Tonpfeifen errichtet,
so z.B. in Soldin/Myslibórz, Berlinchen/Barlinek, Adamsdorf bei
Neustrelitz und Königsberg in Brandenburg. Funde von Pfeifen aus
Rostin belegen den Gebrauch in Soldin/Myslibórz und Küstrin
an der Oder/Kostrzyn. Der Pfeifenhandel per Schiff kann durch Funde in
den Hafenstädten Kolberg/Kolobrzeg, Memel/Klaipéda, Danzig/Gdansk
sowie Hamburg und Lübeck nachgewiesen werden. Bei archäologischen
Forschungen in Großstädten wie Bromberg/Bydgoszcz, Thorn/Torun,
Posen/Poznan und Warschau/Warszawa kam es zu zahlreichen Pfeifenfunden,
welche sich durch einen deutlichen Anteil von Pfeifen aus Rostin auszeichnen.
In südlicheren Landesteilen Polens und in Schlesien mit seiner "Hauptstadt"
Breslau/Wroclaw sind Rostiner Pfeifen nur selten zu finden.
Im Folgenden berichtete Gábor Tomka vom Ungarischen Nationalmuseum
Budapest über die Tonpfeifenforschung in Ungarn und ermöglichte
damit erstmals einem deutschen Auditorium einen intensiven Zugang zu den
Funden dieses Landes. Nachdem große Teile Ungarns bis zum Ende des
17. Jahrhunderts unter osmanischer Herrschaft standen, sind für die
Verbreitung des Tabaks und der Tonpfeifen in Ungarn zwei Einflüsse
vorherrschend: Zum einen zeugen dort zahlreiche Tonpfeifen westlicher,
d. h. niederländischer Art, zum anderen aber auch mindestens ebenso
viele Gesteckpfeifen osmanischen Typs, die dort teilweise auch produziert
worden waren, vom Tabakkonsum. Zahlreiche Beispiele dieser Gesteckpfeifen
osmanischen Typs, die in Ungarn ab ca. 1600 auftreten, sind bereits 1963
von Béla Kovács typologisiert und in eine chronologische
Entwicklungsreihe gestellt worden. Kovács stellte auch fest, dass
im Laufe der Zeit der Winkel von Kopf zur Gesteck-Öffnung ab-, die
Kopfgröße jedoch zunimmt. Die Pfeifen treten in verschiedenen
Modellen auf und sind teilweise grün, gelb und blau glasiert. In
den osmanisch besetzten Gebieten wurde bislang nur eine Fersenpfeife gefunden.
In den Jahren 2000/2001 wurde erstmals eine Ausstellung über die
Geschichte der ungarischen Pfeifen inszeniert. Den Hauptteil der Ausstellung
bildeten Meerschaumpfeifen und Holzpfeifen aus dem 19. Jahrhundert, es
waren jedoch auch Tonpfeifen aus archäologischen Fundstellen zu sehen.
Der Ausstellungskatalog (6) fasst auch die Kenntnisse
über die Tonpfeifen des 17. und 18. Jahrhunderts aufgrund von Ausgrabungsfunden
zusammen. Der Löwenanteil der Arbeit steht aber noch bevor. Eine
Vielzahl von unpublizierten türkischen und ungarischen Tonpfeifen
versteckt sich in Museumsdepots. Erfreulicherweise beschäftigt sich
aber eine wachsende Zahl ungarischer Archäologen mit den Funden aus
der Frühen Neuzeit. Das gibt die Hoffnung, dass sich in wenigen Jahren
das Wissen über die frühen Tonpfeifen in Ungarn multiplizieren
wird.
Mit diesem optimistischen Ausblick schloss die Vortragsreihe zum engeren
Thema der Tagung und es folgten weitere Beiträge über neue
Funde von Tonpfeifen in Deutschland.
Ekkehard Reiff, Clausthal-Zellerfeld, stellte einen Fundkomplex
aus dem niedersächsischen Dorf Burgdorf vor, das zwischen Braunschweig
und Hildesheim liegt. Dort waren auf einem Acker der Flur "Altes
Dorf" ca. 1200 Fragmente tönerner Tabakspfeifen aufgesammelt
worden, die zum größten Teil aus dem 17. und 18. Jahrhundert
stammen. Die Zusammensetzung dieses Fundmaterials, darunter zahlreiche
Rippenpfeifen, unterscheidet sich dabei deutlich von dem umliegender Fundorte
und weist nach erster Einschätzung große Ähnlichkeit mit
dem Lüneburger Material auf.
Heike Helbig, Heimat- und Tabakmuseum Ruhla, gab einen kurzen Überblick
über einige Ruhlaer Handwerkszweige, die für die Pfeifen-Forschung
von Interesse sind. Am bedeutendsten war die Herstellung von Meerschaumpfeifen.
Daneben führte im Jahr 1739 Simon Schenk das Deckelmacherhandwerk
für Pfeifen ein. Ferner gab es einige Porzellanmaler, die Porzellanpfeifen
aus Thüringen und Franken in Ruhla verzierten. Ein weiterer wichtiger
Handwerkszweig waren die Holzpfeifendrechsler und die Hersteller von Mundstücken.
Die Produktion von Tonpfeifen in Ruhla im 19. Jahrhundert ist bisher kaum
beachtet worden, blieb der Umfang doch gering. Als Leiterin des Ruhlaer
Museums regte H. Helbig eine Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen in Ruhla
an und sprach eine Einladung des Bürgermeisters der Stadt aus, die
von den Teilnehmern dankend aufgenommen wurde.
Natascha Mehler M.A., Römisch-Germanische Kommission des Deutschen
Archäologischen Instituts, Forschungsstelle Ingolstadt, erläuterte
neue Trends bei der Aufnahme von bayerischen Tonpfeifenfunden aus dem
17. Jahrhundert und fasste die bisherigen Ergebnisse zu Formen, Herstellern
und Händlern zusammen. Es kann eine regionale Tonpfeifen-Tradition
festgestellt werden, deren Formen sich zwar an den holländischen
Vorbildern orientieren, in Ausführung und Dekor aber durchaus als
eigenständig zu bezeichnen sind. Unter den verzierten Exemplaren
dominieren hier die sog. Jonas-Pfeifen und Pfeifen mit floralem Dekor.
Fersenmarken treten bei bayerischen Pfeifen so gut wie nie auf, sondern
finden sich nur auf Importen. Solche Pfeifen, etwa aus den Niederlanden,
werden überwiegend nur in den großen bayerischen Handelsstädten
wie Augsburg oder Nürnberg gefunden. Pfeifenmacher des 17. Jahrhunderts
sind bislang in Bayern kaum bekannt, dafür mehren sich die Hinweise
auf Hersteller des 18. Jahrhunderts, hier vor allem im Osten Bayerns,
und in der bekannten Töpfer-Region des Kröning, Niederbayern.
Zu den Besonderheiten unter den Tonpfeifenfunden Bayerns zählen Exemplare
in Form eines Stiefels, von denen bislang fünf verschiedene Modelle
vorliegen. (7)
Den letzten Vortrag hielt Carsten Spindler, Braunschweig, der Funde
einer Feldbegehung beim niedersächsischen Weiler "Ölper"
vorstellte. Dort waren, laut schriftlicher Überlieferung, um ca.
1750 die Abfälle der Stadt Braunschweig entsorgt worden. Unter den
niedersächsischen Tonpfeifen dieses Fundkomplexes befinden sich Exemplare
der Hersteller Casselmann und Knecht aus Großalmerode, zudem auch
ein noch unbekannter "HINR. KNOPF / BRAUNSCHWEIG" Ca. 50% der
Tonpfeifenfragmente tragen die Stielaufschrift "IN GOUDA", der
Anteil echter niederländischer Produkte daran ist jedoch unklar.
Zum Abschluss der Tagung stand Organisatorisches des Arbeitskreises auf
dem Programm. R. Kluttig-Altmann präsentierte den pünktlich
zur Tagung erschienenen neuen Band des "KnasterKOPF
- Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen Tabakgenuss".
Der 17. Band mit 144 Seiten enthält mehrere Beiträge der Tagung
2003 in Heidelberg sowie zahlreiche Aufsätze über neue Funde
von Tonpfeifen und ist erstmals mit Farbseiten ausgestattet. (8)
M. Kügler und R. Kluttig-Altmann stellten den ersten Beiband
der Zeitschrift KnasterKOPF vor (9), der sich
dem Tonbergbau im Westerwald widmet und eine wertvolle Studie über
den Rohstoff Ton darstellt.
Die nächste Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen wird voraussichtlich
vom 28. April bis 1. Mai 2005 im oberbayerischen Erding stattfinden.
Für die 2006 geplante 20. Tagung wird angesichts des Jubiläums
noch nach einem besonderen Tagungsort Ausschau gehalten. Erwogen wird
auch eine Exkursion ins Ausland.
Der von Martin Kügler formulierte Dank der Teilnehmer richtete
sich zunächst an alle Referenten, die mit ihren neuen Forschungsergebnissen
und Berichten auf hervorragende Weise das Tagungsthema mit Leben erfüllt
haben. In Verbindung mit der Ausstellung hat sich nicht nur gezeigt, welches
Potential in der Tonpfeifen-Forschung in den einzelnen Ländern noch
vorhanden ist, sondern dass der internationale Austausch eine unabdingbare
Voraussetzung für weitergehende Forschungen ist. Um so erfreulicher
ist daher die Beteiligung der ausländischen Kollegen insbesondere
aus Lettland, Polen und Ungarn zu bewerten.
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Die Mitglieder des "Arbeitskreis Tonpfeifen" |
Einen besonders herzlichen Dank richtete M. Kügler an alle Beteiligten
in Lüneburg. Von den Mitarbeitern des Ostpreußischen Landesmuseum
sind stellvertretend für die vielen guten Geister im Hintergrund
Kulturreferentin Julita Venderbosch und Verwaltungsleiter Ulrich Stade
hervor zu heben. Die Zusammenarbeit mit Dr. Ronny Kabus und Dr. Edgar
Ring gestaltete sich von der ersten Planung der Treffens in Lüneburg
über die Idee einer begleitenden Ausstellung und deren Realisierung
bis zur gelungenen Durchführung der Tagung stets als angenehm und
kooperativ. Ihre Offenheit, ihr intensive Mitarbeit auf allen Ebenen und
ihr persönliches Engagement haben maßgeblich dazu beigetragen,
die Tagung zu einer rundum gelungen Veranstaltung zu machen.
Natascha Mehler M.A
Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen
Instituts
Forschungsstelle Ingolstadt
Jesuitenstraße 3
85049 Ingolstadt
Dr. Martin Kügler
c/o Arbeitskreis zur Erforschung der Tonpfeifen
c/o KnasterKOPF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen
Tabakgenuss
Bergstraße 3
02826 Görlitz
(1) Vgl. Katarzyna Meyza: Die Herstellung von
Tonpfeifen in einer Warschauer Töpferwerkstatt vom Ende des 17.
Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Knasterkopf
Bd. 17/2004, S. 55-60.
(2) Vgl. die Beiträge von G. Tomka und N. Mehler während der
Tagung.
(3) Ralf Kluttig-Altmann/Martin Kügler: Tabak und Tonpfeifen im südlichen
Ostseeraum und in Schlesien. Husum 2004.
(4) Aktuelle Ausstellungsdaten finden sich auf der Website des Arbeitskreises
Tonpfeifen: www.knasterkopf.de.
(5) Vergnügliches Leben - Verborgene Lust. Holländische Gesellschaftsszenen
von Frans Hals bis Jan Steen. Ausstellungskatalog hg. von Pieter Biesboer
und Martina Sitt. Zwolle/Haarlem/Hamburg 2004.
(6) The History of the Hungarian Pipemaker´s Craft - Hungarian History
through the Pipemaker´s Art. Ed. by Anna Ridovics and Edit Haider.
Catalogue of the Exhibition of the Balatoni Museum Keszthely, the Déri
Museum Debrecen and the Hungarian National Museum Budapest. Budapest 2000.
(7) Natascha Mehler: Tönernes Schuhwerk
- Stiefelpfeifen und andere Besonderheiten des 17. Jahrhunderts aus Bayern
und Österreich. In: Knasterkopf Bd. 17/2004, S. 88-93.
(8) Zusammenfassungen der Beiträge sind im Internet unter www.knasterkopf.de
abrufbar.
(9) Martin Kügler und Ralf Kluttig-Altmann: Rohstoff-Ton eG Tonbergbau
1898-2003. (Knasterkopf, Beiband 1). Görlitz/Leipzig
2003.
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Letzte Aktualisierung: 28.11.2013
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