zurück zur Hauptseite
En français

English Edition

Nederlands



Tonpfeifen als Forschungsobjekt

· Aufgaben und Ziele

· Ergebnisse

· Katalogisierung

· Zeichenrichtlinien

· Internationale Terminologie

Publikationen

Tagungen

Internet-Empfehlungen

Kontakt

 


18. Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen 2004 in Lüneburg

Drucken


Das zentrale Thema des 18. Treffens des Arbeitskreises Tonpfeifen vom 29. April bis 2. Mai 2004 war Mittel- und Osteuropa, um durch die Tagung und eine begleitende Ausstellung erstmalig den Blick der Fachwelt auf diese noch unbekannte Tonpfeifen-Landschaft zu lenken. Eingeladen hatten Dr. Edgar Ring, Leiter der Stadtarchäologie Lüneburg, und Dr. Ronny Kabus, Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums, wo die Tagung auch statt fand.

Gruppenfoto

Dr. Martin Kügler, Dr. Edgar Ring, Ralf Kluttig-Altmann M.A., Mayor Fischer
und Dr. Ronny Kabus während der Ausstellungseröffnung


Die 46 Teilnehmer aus Frankreich, Großbritannien, Lettland, den Niederlanden, Polen, Schweden, Ungarn und Deutschland bildeten für vier Tage eine bisher einzigartige wissenschaftliche Vereinigung, deren internationale Kontakte sich inzwischen über ganz Europa sowie vereinzelt auch bis in die USA, Südamerika und Ostasien erstrecken. An Fachorganisationen waren die "Académie International de la Pipe", der "Pijpelogische Kring Nederland" und die "Society for Clay Pipe Research" vertreten.

 

 


Vor dem Beginn der wissenschaftlichen Vortragsreihe erinnerte M. Kügler an zwei verstorbene Mitglieder. Ernst Legahn aus Lüneburg gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises und hatte als engagierter Laie schon in den 1980er Jahren damit begonnen, in Lüneburg Tonpfeifen zu sammeln und auszuwerten. Otto Pollner aus Bünde, selbst Holzpfeifenhersteller und Autor zahlreicher Fachbücher, hatte sich erfolgreich für die Zusammenarbeit des Arbeitskreises mit der Académie International de la Pipe eingesetzt. Die Teilnehmer der Tagung ehrten die beiden Verstorbenen mit einer Schweigeminute.

 

Ausstellung

Blick in die Ausstellung

Die Reihe der Vorträge eröffnete E. Ring mit einer Einführung in die Stadtarchäologie von Lüneburg. An durchgeführten Projekten sind u.a. die Ausgrabung der Töpferei "Auf der Altstadt 29" und "St. Lamberti - Ausgrabung einer untergegangenen Kirche" zu nennen. Ferner konnte der überaus reiche Fundbestand an Gläsern publiziert werden. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Funde erfolgt in der Schriftenreihe "Archäologie und Bauforschung in Lüneburg" und der Jahresschrift "Denkmalpflege in Lüneburg" (www.stadtarchaeologie-lueneburg.de).

Mit seinem Vortrag "Tabakanbau und Tabakgenuss im südlichen Ostseeraum und in Schlesien" fasste M. Kügler den Forschungsstand zum Thema der Tagung zusammen. Für beide Regionen liegen bisher nur Einzelinformationen vor. Sie lassen erkennen, dass sich der Tabak und das Rauchen im Ostseeraum kurz nach 1600 ebenso rasch verbreiteten wie in allen anderen europäischen Ländern. Für die Ostseeanrainer sind der Handel der Hansestädte und die Nähe zu den internationalen Seefahrtswegen entscheidende Faktoren. In Schlesien erfuhr man um 1620 vom Tabakrauchen. Der Dreißigjährige Krieg hat, trotz aller Zerstörungen, maßgeblich zur Verbreitung beigetragen. Erst im 19. Jahrhundert gewann die Verarbeitung importierter Tabake wie z.B. durch die Fa. Doms in Ratibor/Oberschlesien überregionale Bedeutung. Für die Forschung relevant ist die Produktion der preußischen Tonpfeifenmanufakturen in Rostin/Roscin und Sborovsky/Zborowski.

In Lüneburg achtete man bei Ausgrabungen schon in den 1970er Jahren auf Tonpfeifenfunde, wie Ralf Kluttig-Altmann M.A., Leipzig, in seinem Vortrag feststellte. Zwar gibt es für eine eigene Tonpfeifenproduktion in Lüneburg bislang keine Hinweise, doch versuchten einheimische Töpfer eine "Veredlung" von Tonpfeifen, indem sie die schlichten weißen Pfeifen mit Glasuren aufwerteten. Unter den Lüneburger Funden befinden sich einige Tonpfeifen, die noch einen Deckel aus Draht ("Gluthaube") oder Spuren davon aufweisen. Auch hölzerne Futterale für die Aufbewahrung und den Transport von Tonpfeifen sind in Lüneburg archäologisch erhalten. Schon ab dem späten 17. Jahrhundert treten deutsche Pfeifen deutlich in Erscheinung, so aus Großalmerode, Walbeck, Hildesheim, Münden, Hameln und Helmstedt. Der Anteil von Reliefpfeifen - "VIVAT LÜNEBURG"- oder Jonaspfeifen - ist hoch. Die Lüneburger Tonpfeifenlandschaft bietet somit das Bild einer norddeutschen Handelsstadt, die selber keine Pfeifen produzierte und die deshalb ein lohnender Markt für die umliegenden Pfeifenmanufakturen war. Die guten Erhaltungs- und Bergungsbedingungen erlauben für Lüneburg ein detaillierteres Bild zum historischen Umgang mit Tonpfeifen, als es bei den meisten deutschen Städten (bis jetzt) möglich ist.

Ilze Reinfelde aus Riga berichtete über Tonpfeifen-Funde in Riga. Die enorme Fundmenge von 15.000 Tonpfeifenfragmenten, die bei Stadtgrabungen gefunden wurden, macht deutlich, wie stark das Rauchen hier verbreitet war, zeigt aber auch auf, vor welchen methodischen Herausforderungen die Bearbeiterin einer solchen Fundmenge steht, zumal wenn sie bisher die einzige Wissenschaftlerin in Lettland ist, die sich mit diesem Kulturgut befasst. Bei fast allen Pfeifenfragmenten handelt es sich um klassische Fersenpfeifen, Rundbodenpfeifen und Gesteckpfeifen sind nur gering vertreten. Über die Hälfte der Fersenpfeifenfragmente können ins 17. Jahrhundert datiert werden. Eine eigene Tonpfeifenproduktion scheint es in Lettland nicht gegeben zu haben. Die Fundautopsie macht deutlich, dass ca. 80 Prozent aller Pfeifenfragmente aus den Niederlanden stammen und nur ca. 3 Prozent aus England. Einige wenige Stücke kommen aus Rostin/Roscin in der Neumark, die restlichen können derzeit noch nicht zugeordnet werden.

Über "Tonpfeifenimporte aus West- und Osteuropa nach Warschau - Ein Vergleich der Funde aus den archäologischen Ausgraben im Bereich des Königlichen Schlosses in Warschau" referierte Katarzyna Meyza, Abteilung Archäologie des Historischen Museums Warschau. Sie präsentierte einen Fundkomplex von 230 Pfeifenfragmenten aus einem Keller des Südflügels des Warschauer Hof-Theaters, der um 1720 verfüllt worden war. Neben den Fersenpfeifen fanden sich zahlreiche sog. Lüle-Pfeifen (Gesteckpfeifen), die knapp ein Drittel ausmachen und aus weiß und rot brennendem Ton bestehen. Als deren Herkunft wird neben dem Balkan auch Polen vermutet. (1) Der Beitrag warf die grundsätzliche Frage auf, in welchem Verhältnis die Tonpfeifen des niederländisch/westeuropäischen Typs mit Kopf und Stiel aus einem Stück zu den osmanisch/osteuropäischen Gesteckpfeifen im 17. und 18. Jahrhundert stehen. Wie bei ähnlichen Fundkomplexen mit beiden Pfeifentypen in Ungarn, Österreich oder Süddeutschland (2) könnte ihr Gebrauch durch die soziale oder auch ethnische Differenzierung der Raucher, die Versorgungslage und Handelsbeziehungen erklärt werden.



Funde aus Warschau


Der Vortrag "Tonpfeifenfunde preußischer Manufakturen in Polen" von Wojciech Siwiak, Historisches Institut Bydgoszcz/Polen, gab einen Überblick aufgrund der bisher vorliegenden Literatur. Der Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Tonpfeifen geht in Polen bis in die 1950er Jahre zurück, das Interesse unter den Archäologen ist aber dennoch gering geblieben. Dies ist überraschend, denn Pfeifen sind eine der besten chronologischen Datierungsdeterminanten für kulturelle Siedlungsschichten der Neuzeit. Bisher vorliegende polnische Publikationen decken nur geringe Teile des Landes ab und beruhen meist weniger auf Funden aus offiziellen Grabungen als auf den Aktivitäten privater Sammler. Ergänzende historische Forschungen zur Produktionsweise der beiden Manufakturen und zu ihren Absatzgebieten stehen weitgehend noch aus.

Den letzten Vortrag des ersten Tages hielt Dr. Rüdiger Articus, Hamburger Museum für Archäologie - Helms-Museum, Hamburg. Er sprach über Gemälde niederländischer Maler, die Tonpfeifen bzw. Pfeifenraucher abbilden, und führte in die Symbolsprache der barocken Kunst ein. Die Tonpfeife galt in der holländischen Genremalerei des 17. Jahrhunderts häufig als Sinnbild der Zügellosigkeit. Mit diesem Vortrag wurden die Tagungsteilnehmer auf den nächsten Tag vorbereitet, an dem ein Besuch der Ausstellung "Vergnügliches Leben - Verborgene Lust. Holländische Gesellschaftsszenen von Frans Hals bis Jan Steen" in der Hamburger Kunsthalle auf dem Programm stand.

Am späten Nachmittag fand erstmalig begleitend zur Tagung ein Pfeifen- und Büchermarkt statt, bei dem zahlreiche Rauchutensilien aus diversen Materialien und Literatur rund um das Thema "Tabak und Tonpfeifen" einer interessierten Öffentlichkeit angeboten wurden.

Anlässlich des Schwerpunktthemas und begleitend zur Tagung hatten R. Kluttig-Altmann und M. Kügler eine Ausstellung mit dem Titel "Tabak und Tonpfeifen im südlichen Ostseeraum und Schlesien" erarbeitet, die am Abend im Ostpreußischen Landesmuseum eröffnet wurde. In enger Kooperation mit dem Museum und der Stadtarchäologie Lüneburg und unterstützt durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien war es gelungen, Tonpfeifenfunde von archäologischen Ausgrabungen in Estland (Tartu/Dorpat), Litauen (Klaipéda/Memel), Polen (Elblag/Elbing, Gorzów Wlkp./Landsberg an der Warthe, Kwidzyn/ Marienwerder, Malbork/Marienburg, Olsztyn/Allenstein, Warszwa/Warschau, Wroclaw/Breslau) und Deutschland (Lüneburg) zusammenzutragen. Hinzu kamen umfangreiche private Leihgaben zum historischer Tabakkonsum, die zumeist bisher noch nie gezeigt wurden. Als besonderer Anziehungspunkt der Eröffnung erwies sich die originale Pfeifenpresse aus dem Westerwald, auf der jeder Besucher selbst eine Tonpfeife ausformen konnte. Die bis zum 29. August 2004 in Lüneburg gezeigte Ausstellung ist in einem Katalog dokumentiert (3) und wird bis Mitte 2006 u.a. in Bünde, Hamburg und Görlitz zu sehen sein. (4)

Pfeifenpresse

Die Pfeifenpresse in Aktion.
fertige Pfeife
Ein Schlüsselmoment:
die erste selbst hergestellte Tonpfeife.


Am zweiten Tag führte eine Exkursion zur Firma DAN Tobacco und DAN Pipe in Lauenburg. Firmeninhaber Dr. Heiko Behrens führte die Teilnehmer durch den Tabakspeicher und erläuterte anschaulich und äußerst fachkundig die verschiedenen Tabaksorten und ihre Verarbeitung. Neu war sicherlich die Erkenntnis, dass Tabak bei sachgerechter Lagerung wie Wein reifen kann und nicht etwa an Aroma verliert - was durch die selbst für passionierte Nichtraucher angenehmen Gerüche eindrucksvoll bestätigt wurde. Zweite Station der Exkursion war die Hamburger Kunsthalle mit Sonder-Ausstellung "Vergnügliches Leben - Verborgene Lust", die sowohl unter kunsthistorischen wie auch den engeren fachlichen Aspekten eine einzigartige Ansammlung von Gemälden mit Raucher- und Tonpfeifendarstellungen bildete, zu der auch ein Katalog erschienen ist. (5) Nach der Rückkehr nach Lüneburg brachte eine Kutschfahrt durch das historische Stadtzentrum den Teilnehmern den Tagungsort näher. Zum Abschluss führte E. Ring sachkundig und mit vielen Detail-Informationen durch die historischen Räume des Lüneburger Rathauses. Der Abend klang bei einem gemeinsamen Abendessen aus.

Erklärung

Dr. Heiko Behrens erklärt den Teilnehmern
die Verarbeitung des Tabaks.
Ausstellung
Die DAN Tabak Fabrik in Lauenburg.


Am Sonntag wurde das Vortragsprogramm fortgesetzt. Das von W. Siwiak festgestellte Manko der polnischen Tonpfeifenforschung konnte Teresa Witkowska, Muzeum Lubuskie in Gorzów Wielkopolskie/PL, in ihrem Beitrag über die "Distribution von Rostiner Tonpfeifen aufgrund archäologischer Funde in Polen" teilweise wett machen. Die Tonpfeifenfabrik in Rostin/Roscin in der Neumark wurde um 1753 errichtet. Die Jahresproduktion betrug ca. 10.000 bis 12.000 Groß Tonpfeifen, die in Preußen verkauft und nach Polen exportiert wurden. Seit 1775 war Isaak Salingre, ein Kaufmann aus Stettin, Besitzer der Tonpfeifenfabrik. Auf dem Seeweg versandte er die Pfeifen in die Ostseehafenstädte. In Berlin und in der Neumark wurden mehrere Verkaufsstellen für Tonpfeifen errichtet, so z.B. in Soldin/Myslibórz, Berlinchen/Barlinek, Adamsdorf bei Neustrelitz und Königsberg in Brandenburg. Funde von Pfeifen aus Rostin belegen den Gebrauch in Soldin/Myslibórz und Küstrin an der Oder/Kostrzyn. Der Pfeifenhandel per Schiff kann durch Funde in den Hafenstädten Kolberg/Kolobrzeg, Memel/Klaipéda, Danzig/Gdansk sowie Hamburg und Lübeck nachgewiesen werden. Bei archäologischen Forschungen in Großstädten wie Bromberg/Bydgoszcz, Thorn/Torun, Posen/Poznan und Warschau/Warszawa kam es zu zahlreichen Pfeifenfunden, welche sich durch einen deutlichen Anteil von Pfeifen aus Rostin auszeichnen. In südlicheren Landesteilen Polens und in Schlesien mit seiner "Hauptstadt" Breslau/Wroclaw sind Rostiner Pfeifen nur selten zu finden.

Im Folgenden berichtete Gábor Tomka vom Ungarischen Nationalmuseum Budapest über die Tonpfeifenforschung in Ungarn und ermöglichte damit erstmals einem deutschen Auditorium einen intensiven Zugang zu den Funden dieses Landes. Nachdem große Teile Ungarns bis zum Ende des 17. Jahrhunderts unter osmanischer Herrschaft standen, sind für die Verbreitung des Tabaks und der Tonpfeifen in Ungarn zwei Einflüsse vorherrschend: Zum einen zeugen dort zahlreiche Tonpfeifen westlicher, d. h. niederländischer Art, zum anderen aber auch mindestens ebenso viele Gesteckpfeifen osmanischen Typs, die dort teilweise auch produziert worden waren, vom Tabakkonsum. Zahlreiche Beispiele dieser Gesteckpfeifen osmanischen Typs, die in Ungarn ab ca. 1600 auftreten, sind bereits 1963 von Béla Kovács typologisiert und in eine chronologische Entwicklungsreihe gestellt worden. Kovács stellte auch fest, dass im Laufe der Zeit der Winkel von Kopf zur Gesteck-Öffnung ab-, die Kopfgröße jedoch zunimmt. Die Pfeifen treten in verschiedenen Modellen auf und sind teilweise grün, gelb und blau glasiert. In den osmanisch besetzten Gebieten wurde bislang nur eine Fersenpfeife gefunden. In den Jahren 2000/2001 wurde erstmals eine Ausstellung über die Geschichte der ungarischen Pfeifen inszeniert. Den Hauptteil der Ausstellung bildeten Meerschaumpfeifen und Holzpfeifen aus dem 19. Jahrhundert, es waren jedoch auch Tonpfeifen aus archäologischen Fundstellen zu sehen. Der Ausstellungskatalog (6) fasst auch die Kenntnisse über die Tonpfeifen des 17. und 18. Jahrhunderts aufgrund von Ausgrabungsfunden zusammen. Der Löwenanteil der Arbeit steht aber noch bevor. Eine Vielzahl von unpublizierten türkischen und ungarischen Tonpfeifen versteckt sich in Museumsdepots. Erfreulicherweise beschäftigt sich aber eine wachsende Zahl ungarischer Archäologen mit den Funden aus der Frühen Neuzeit. Das gibt die Hoffnung, dass sich in wenigen Jahren das Wissen über die frühen Tonpfeifen in Ungarn multiplizieren wird.
Mit diesem optimistischen Ausblick schloss die Vortragsreihe zum engeren Thema der Tagung und es folgten weitere Beiträge über neue Funde von Tonpfeifen in Deutschland.

Ekkehard Reiff, Clausthal-Zellerfeld, stellte einen Fundkomplex aus dem niedersächsischen Dorf Burgdorf vor, das zwischen Braunschweig und Hildesheim liegt. Dort waren auf einem Acker der Flur "Altes Dorf" ca. 1200 Fragmente tönerner Tabakspfeifen aufgesammelt worden, die zum größten Teil aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. Die Zusammensetzung dieses Fundmaterials, darunter zahlreiche Rippenpfeifen, unterscheidet sich dabei deutlich von dem umliegender Fundorte und weist nach erster Einschätzung große Ähnlichkeit mit dem Lüneburger Material auf.

Heike Helbig, Heimat- und Tabakmuseum Ruhla, gab einen kurzen Überblick über einige Ruhlaer Handwerkszweige, die für die Pfeifen-Forschung von Interesse sind. Am bedeutendsten war die Herstellung von Meerschaumpfeifen. Daneben führte im Jahr 1739 Simon Schenk das Deckelmacherhandwerk für Pfeifen ein. Ferner gab es einige Porzellanmaler, die Porzellanpfeifen aus Thüringen und Franken in Ruhla verzierten. Ein weiterer wichtiger Handwerkszweig waren die Holzpfeifendrechsler und die Hersteller von Mundstücken. Die Produktion von Tonpfeifen in Ruhla im 19. Jahrhundert ist bisher kaum beachtet worden, blieb der Umfang doch gering. Als Leiterin des Ruhlaer Museums regte H. Helbig eine Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen in Ruhla an und sprach eine Einladung des Bürgermeisters der Stadt aus, die von den Teilnehmern dankend aufgenommen wurde.

Natascha Mehler M.A., Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, Forschungsstelle Ingolstadt, erläuterte neue Trends bei der Aufnahme von bayerischen Tonpfeifenfunden aus dem 17. Jahrhundert und fasste die bisherigen Ergebnisse zu Formen, Herstellern und Händlern zusammen. Es kann eine regionale Tonpfeifen-Tradition festgestellt werden, deren Formen sich zwar an den holländischen Vorbildern orientieren, in Ausführung und Dekor aber durchaus als eigenständig zu bezeichnen sind. Unter den verzierten Exemplaren dominieren hier die sog. Jonas-Pfeifen und Pfeifen mit floralem Dekor. Fersenmarken treten bei bayerischen Pfeifen so gut wie nie auf, sondern finden sich nur auf Importen. Solche Pfeifen, etwa aus den Niederlanden, werden überwiegend nur in den großen bayerischen Handelsstädten wie Augsburg oder Nürnberg gefunden. Pfeifenmacher des 17. Jahrhunderts sind bislang in Bayern kaum bekannt, dafür mehren sich die Hinweise auf Hersteller des 18. Jahrhunderts, hier vor allem im Osten Bayerns, und in der bekannten Töpfer-Region des Kröning, Niederbayern. Zu den Besonderheiten unter den Tonpfeifenfunden Bayerns zählen Exemplare in Form eines Stiefels, von denen bislang fünf verschiedene Modelle vorliegen. (7)

Den letzten Vortrag hielt Carsten Spindler, Braunschweig, der Funde einer Feldbegehung beim niedersächsischen Weiler "Ölper" vorstellte. Dort waren, laut schriftlicher Überlieferung, um ca. 1750 die Abfälle der Stadt Braunschweig entsorgt worden. Unter den niedersächsischen Tonpfeifen dieses Fundkomplexes befinden sich Exemplare der Hersteller Casselmann und Knecht aus Großalmerode, zudem auch ein noch unbekannter "HINR. KNOPF / BRAUNSCHWEIG" Ca. 50% der Tonpfeifenfragmente tragen die Stielaufschrift "IN GOUDA", der Anteil echter niederländischer Produkte daran ist jedoch unklar.

Zum Abschluss der Tagung stand Organisatorisches des Arbeitskreises auf dem Programm. R. Kluttig-Altmann präsentierte den pünktlich zur Tagung erschienenen neuen Band des "KnasterKOPF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen Tabakgenuss". Der 17. Band mit 144 Seiten enthält mehrere Beiträge der Tagung 2003 in Heidelberg sowie zahlreiche Aufsätze über neue Funde von Tonpfeifen und ist erstmals mit Farbseiten ausgestattet. (8) M. Kügler und R. Kluttig-Altmann stellten den ersten Beiband der Zeitschrift KnasterKOPF vor (9), der sich dem Tonbergbau im Westerwald widmet und eine wertvolle Studie über den Rohstoff Ton darstellt.

Die nächste Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen wird voraussichtlich vom 28. April bis 1. Mai 2005 im oberbayerischen Erding stattfinden. Für die 2006 geplante 20. Tagung wird angesichts des Jubiläums noch nach einem besonderen Tagungsort Ausschau gehalten. Erwogen wird auch eine Exkursion ins Ausland.

Der von Martin Kügler formulierte Dank der Teilnehmer richtete sich zunächst an alle Referenten, die mit ihren neuen Forschungsergebnissen und Berichten auf hervorragende Weise das Tagungsthema mit Leben erfüllt haben. In Verbindung mit der Ausstellung hat sich nicht nur gezeigt, welches Potential in der Tonpfeifen-Forschung in den einzelnen Ländern noch vorhanden ist, sondern dass der internationale Austausch eine unabdingbare Voraussetzung für weitergehende Forschungen ist. Um so erfreulicher ist daher die Beteiligung der ausländischen Kollegen insbesondere aus Lettland, Polen und Ungarn zu bewerten.

Dank

Der KnasterKOPF" als Dank für Heiko Behrens.
Mitglieder
Die Mitglieder des "Arbeitskreis Tonpfeifen"


Einen besonders herzlichen Dank richtete M. Kügler an alle Beteiligten in Lüneburg. Von den Mitarbeitern des Ostpreußischen Landesmuseum sind stellvertretend für die vielen guten Geister im Hintergrund Kulturreferentin Julita Venderbosch und Verwaltungsleiter Ulrich Stade hervor zu heben. Die Zusammenarbeit mit Dr. Ronny Kabus und Dr. Edgar Ring gestaltete sich von der ersten Planung der Treffens in Lüneburg über die Idee einer begleitenden Ausstellung und deren Realisierung bis zur gelungenen Durchführung der Tagung stets als angenehm und kooperativ. Ihre Offenheit, ihr intensive Mitarbeit auf allen Ebenen und ihr persönliches Engagement haben maßgeblich dazu beigetragen, die Tagung zu einer rundum gelungen Veranstaltung zu machen.


Natascha Mehler M.A
Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts
Forschungsstelle Ingolstadt
Jesuitenstraße 3
85049 Ingolstadt

Dr. Martin Kügler
c/o Arbeitskreis zur Erforschung der Tonpfeifen
c/o KnasterKOPF - Fachzeitschrift für Tonpfeifen und historischen Tabakgenuss
Bergstraße 3
02826 Görlitz

 


(1) Vgl. Katarzyna Meyza: Die Herstellung von Tonpfeifen in einer Warschauer Töpferwerkstatt vom Ende des 17. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Knasterkopf Bd. 17/2004, S. 55-60.

(2) Vgl. die Beiträge von G. Tomka und N. Mehler während der Tagung.

(3) Ralf Kluttig-Altmann/Martin Kügler: Tabak und Tonpfeifen im südlichen Ostseeraum und in Schlesien. Husum 2004.

(4) Aktuelle Ausstellungsdaten finden sich auf der Website des Arbeitskreises Tonpfeifen: www.knasterkopf.de.

(5) Vergnügliches Leben - Verborgene Lust. Holländische Gesellschaftsszenen von Frans Hals bis Jan Steen. Ausstellungskatalog hg. von Pieter Biesboer und Martina Sitt. Zwolle/Haarlem/Hamburg 2004.

(6) The History of the Hungarian Pipemaker´s Craft - Hungarian History through the Pipemaker´s Art. Ed. by Anna Ridovics and Edit Haider. Catalogue of the Exhibition of the Balatoni Museum Keszthely, the Déri Museum Debrecen and the Hungarian National Museum Budapest. Budapest 2000.

(7) Natascha Mehler: Tönernes Schuhwerk - Stiefelpfeifen und andere Besonderheiten des 17. Jahrhunderts aus Bayern und Österreich. In: Knasterkopf Bd. 17/2004, S. 88-93.

(8) Zusammenfassungen der Beiträge sind im Internet unter www.knasterkopf.de abrufbar.

(9) Martin Kügler und Ralf Kluttig-Altmann: Rohstoff-Ton eG Tonbergbau 1898-2003. (Knasterkopf, Beiband 1). Görlitz/Leipzig 2003.

 

Seitenbeginn


Startseite
KnasterKOPF
Arbeitskreis
 
Sitemap
Impressum


Letzte Aktualisierung: 28.11.2013
Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung der Herausgeber in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.