Raerener Keramik (ca. 1. Viertel 17. Jahrhundert)

Bei dem Stück handelt es sich um ein Fußfragment einer Kanne Raerener Art. Im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert wanderten einige Raerener und Siegburger Töpfer in den Westerwald aus1. Ihre kobaltblau glasierten Waren waren in der Folge stilprägend für das Westerwälder Steinzeug. Auch wenn etwa wegen der verwandtschaftlichen Beziehungen der Töpfer in Siegburg, Raeren, Frechen, Adendorf und im Westerwald in späterer Zeit eine Unterscheidung nach Herkunftszentren allein aufgrund des Tons, des Dekors oder der Farbe oft erschwert wird2, dürfte es sich hier um ein Raerener Stück handeln.

Da die Raerener Töpfer stilistisch auf der Höhe der Kunstentwicklung in den Niederlanden waren und einige ähnliche Stücke von Jan Baldems Mennickens in das erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts datieren3, kann man hier wegen des spätmanieristischen Dekors von einer Entstehung im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts ausgehen. Besonders zu Baldems Ornamenten der etwas älteren Enghalskanne (1596) im Kölner Kunstgewerbemuseum besteht eine enge Beziehung hinsichtlich der verwendeten Formstempel4. Ähnlich nachlässig und in einem prinzipiell vergleichbaren Dekorschema sind Kannen aus seiner Werkstatt gearbeitet (geritzte Linien und gefärbte Flächen mit einer Kombination aus Stempel- und Ritzornament)5. Dieser Gefäßfuß steht in der Nachfolge der erwähnten Arbeiten, ist also jünger.

Keramik.

Frontalansicht (M 1:1) als Zeichnung, Scan und kolorierte Zeichnung

Zeichnungen von Keramik sind üblicherweise stärker schematisiert als hier. Irregularitäten verschiedener Art habe ich mit dargestellt. So ist etwa der Gefäßboden geneigt, es sind kleinere Tonstücke in die Salzglasur verbacken (wohl vom Verputz des Brennofens) und man erkennt deutlich, wo dem Töpfer oder seiner Frau das Messer beim Anbringen der Zierden ausgerutscht ist. An einer Stelle in der Hohlkehle ist zudem ein Fingerabdruck zu sehen, durch den der untere Abschluss herabgedrückt wurde.

Die haptische Wirkung des Scans ist zeichnerisch nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu reproduzieren. Doch sind Zeichnungen in den Maßen erheblich exakter, als Fotografien oder Scans, die immer eine perspektivische Verzerrung aufweisen. Deshalb werden sie in archäologischen Publikationen bevorzugt. Auch können Zeichnungen besser verkleinert werden als Fotos oder Scans. Das Relief ist vielleicht auf der Bleistiftzeichnung besser zu erkennen. Die tief blaue Glasur war es mir Wert, die Zeichnung zu kolorieren. Die Lesbarkeit ist in der farbigen Frontalansicht meines Erachtens weit höher, als bei der Seitenansicht.

Keramik.

V.l.n.r.: Schnitt, Innenansicht, Seitenansicht (M 1:1) als Zeichnung und Innenansicht als Scan

1 Offenbar wanderten die Raerener Töpfer zuerst (ab 1588) aus. Vgl. Karl Koetschau: Rheinisches Steinzeug (München 1924) S. 47

2 vgl. hierzu Heinrich Doepgen: Die Adendorfer Töpfereien und ihre Erzeugnisse als Beispiel rheinischer Volkskunst; in: Oberkreisdirektor des Landkreises Bonn (Hrsg.): Keramik im Landkreis Bonn; Bonn 1969 S. 13

3 vgl. z.B. Heinrich Hellebrandt: Raerener Steinzeug; Aachen 1967 Abb. 10, 97

4 Gisela Reineking von Bock: Steinzeug. Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln (3. Aufl., Köln 1986) Nr. 368, S. 276 f., Taf. 29

5 Karl Koetschau: Rheinisches Steinzeug (München 1924) Taf. 55 f.

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Gerald Volker Grimm

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